Die sozialen Auswirkungen der Corona-Krise sind in vielen europäischen
Ländern noch gravierender als in Deutschland. In Spanien, das 2014 in einer
tiefen wirtschaftlichen Krise steckte und sich langsam wieder erholt hat, sind
die Fortschritte der letzten Jahre teilweise aufgezehrt.
Ein jüngst erschienener Bericht der spanischen Hilfsorganisation Caritas zeigt
die Folgen, welche die Corona-Krise für die Menschen in Spanien mit sich
brachte. Die Armut ist deutlich angestiegen.
Spanien war im Jahr 2014 schwer von der Euro-Krise betroffen. Die jahrelang als
Konjunkturmotor dienende Bauwirtschaft brach ein, mehrere Banken mussten
gerettet werden und die Arbeitslosigkeit stieg auf Rekordhöhen. So waren 2014
etwa 55 Prozent der Jugendlichen arbeitslos.
In den letzten Jahren hatte sich die Lage etwas gebessert; aber durch COVID-19
und deren massive Folgen, die die Pandemie unter anderem in dem für Spanien
lebenswichtigen Tourismussektor hatte, lag die Jugendarbeitslosigkeit am Ende
des ersten Halbjahres 2021 wieder bei 38 Prozent.
Insgesamt wuchs die Arbeitslosigkeit bis zum Anfang dieses Jahres auf 16,3
Prozent, fiel dann aber bis Jahresmitte leicht auf 15,3 Prozent. Mindestens
300.000 Stellen, die mit der Pandemie verloren gingen, sind womöglich dauerhaft
verschwunden. Gleichzeitig nahm die Anzahl befristeter Arbeitsverhältnisse
massiv zu, sie machen jetzt jede vierte Anstellung aus.
Der Anteil der Haushalte, in denen alle arbeitsfähigen Personen arbeitslos sind,
stieg von 5,9 Prozent im Jahr 2018 auf 10,3 Prozent. 10,7 Prozent der Haushalte
sind mit den Mietzahlungen im Rückstand.
Die Caritas folgt in ihrer Sozialberichtserstattung dem Deprivationsansatz; was
bedeutet, dass sie anhand einer Liste von Indikatoren aus unterschiedlichen
Lebensbereichen (Wohnverhältnisse, Gesundheitssituation, Arbeitsverhältnisse,
Konsum, Einsamkeit etc.) ermittelt, wie sehr Menschen von Armut betroffen sind,
und nicht anhand einer eher willkürlich gesetzten Einkommensgrenze. Dabei wird
die Bevölkerung in vier Gruppen unterteilt: von völlig integriert bis hin zu
völlig ausgeschlossen – je nachdem, in wie vielen Bereichen Mangel herrscht. Um
diese Zahlen zu ermitteln, wurden 7.000 Haushalte untersucht.
Der Anteil der Menschen, die massiv ausgeschlossen sind, beträgt nach den Zahlen
der Caritas 10,7 Prozent der Haushalte oder ungefähr 6 Millionen Menschen in
Spanien. Diese Zahl übersteigt sogar die Werte von 2014; und sie ist durch die
Corona-Krise um zwei Millionen angewachsen.
Auch Beschäftigung schützt nicht mehr vor Mangel; bezogen auf die
Arbeitssituation der Haushaltsmitglieder war der Anstieg der Armen unter den
prekär Beschäftigten am größten. Dabei zählt als "prekär beschäftigt", wer mehr
als drei Arbeitsverträge oder mehr als drei Arbeitgeber im selben Jahr hatte
oder mehr als drei Monate arbeitslos war.
Dabei haben sich von den teilweise Ausgeschlossenen 48,4 Prozent im Jahr 2020
keine medizinische Behandlungen leisten können, von den massiv Ausgeschlossenen
ganze 66,8 Prozent; beides deutliche Anstiege gegenüber 2018.
Selbst
eine gute Ausbildung scheint vor einem sozialen Abstieg nicht mehr zu schützen;
das ist – nach Angaben der Caritas – eine neue Entwicklung, die es in dieser
Form 2014, also auf dem Höhepunkt der Euro-Krise, noch nicht gab. So stieg bei
den Menschen ohne Schulabschluss der Anteil der Ausgeschlossenen von 22,3 auf
33,7 Prozent, was deutlich höher ist als der bei den Menschen mit
Hochschulabschluss, der sich von 6,9 auf immerhin 15,3 Prozent erhöhte. Aber bei
Letzteren hat sich damit der Wert sogar mehr als verdoppelt. Gleiches gilt für
Fachschüler oder Studierte mit einem Bachelor-Abschluss; auch bei ihnen stieg
der Anteil der Armen von 13,9 auf 26 Prozent.
Die weitere Entwicklung ist noch völlig offen, da sie insbesondere davon
abhängt, ob sich der Tourismussektor wieder erholen kann. Aber ein großer Teil
der wirtschaftlichen Erholung nach 2014 wurde zunichte gemacht.