Dienstag, 23. Februar 2021

„Eine der größten Naturkatastrophen seit der Staatsgründung“

Ein Ölteppich verschmutzt große Teile der israelischen Mittelmeerküste. Freiwillige Helfer atmen giftige Dämpfe ein. Nun soll das Militär die Säuberungsarbeiten unterstützen. 

Mittelmeerküste: Ölpest durch Israels Luftangriffe - FOCUS Online

HAIFA / ASCHDOD (inn) – Israelis sollten sich von den Mittelmeerstränden fernhalten. Dazu rät die israelische Regierung. Grund ist ein Ölteppich, der sich vor der Küste von Haifa im Norden bis Aschkelon im Süden hinzieht. Damit sind etwa 170 von 190 Kilometern der israelischen Küstenlinie von der Umweltkatastrophe betroffen. Deren Ursache ist noch nicht bekannt.

Die Ministerien für Gesundheit, Inneres und Umweltschutz veröffentlichten am Sonntag einen gemeinsamen Aufruf: Menschen sollten vorerst nicht zum Schwimmen, für Sport oder Freizeitaktivität an die Strände gehen. „Sich dem Teer auszusetzen, könnte der öffentlichen Gesundheit schaden“, zitiert die Onlinezeitung „Times of Israel“ aus der Erklärung.

Umweltministerin Gila Gamliel (Likud) sagte, vor einer Woche sei etwa 50 Kilometer vor der Küste ein Ölteppich entdeckt worden. Zu jener Zeit seien in dem Gebiet zehn Schiffe unterwegs gewesen, eines könnte dafür verantwortlich sein. Der Leiter der Natur- und Parkbehörde, Schaul Goldstein, spricht von „einer der größten Naturkatastrophen, die Israel seit der Staatsgründung heimgesucht haben“. Israel ist seit Mai 1948 unabhängig.

Freiwillige Helfer atmen giftige Dämpfe ein

Am Samstag halfen Tausende Menschen beim Säubern der Strände. Mehrere Freiwillige mussten ins Krankenhaus gebracht werden, weil sie giftige Dämpfe eingeatmet hatten. Aus der Natur- und Parkbehörde hieß es daraufhin, Helfer sollten sich registrieren lassen und ein Sicherheitstraining absolvieren.

Im Gador-Naturreservat bei Hadera, nördlich von Tel Aviv, wurden Fische, Schildkröten und andere Meerestiere mit Teer beschmiert. Vermutlich hat die Naturkatastrophe viele Tierleben gekostet. So wurde am Donnerstag ein toter Baby-Wal bei Aschdod angeschwemmt. Dort machte sich Gamliel am Sonntag mit Premierminister Benjamin Netanjahu (Likud) ein Bild von der Lage.

Indes beteiligt sich das Militär an den Säuberungsarbeiten. Darauf verständigten sich Armeechef Aviv Kochavi und Schaul Goldstein. Demnach sollen Tausende israelische Soldaten Mitarbeitern und Ehrenamtlichen der Natur- und Parkbehörde helfen, Gebiete zu erfassen, die durch Teerverschmutzung geschädigt wurden. Zudem unterstützen sie die Helfer beim Säubern von Stränden und bei der Entfernung von Schadstoffen.

EXOCD24 aus Israel - Hoffnung für Corona-Patienten ?

Dr. Nadir Arber, Direktor des Zentrums für Krebsvorsorge Tel Aviv Sourasky Medical Center, hat ein Medikament entwickelt, das Corona-Patienten schnelle Hilfe ermöglicht. Erste Tests und eine Studie laufen bereits – die Zwischenergebnisse sind positiv. 

 Coronavirus-Medikamente: 31 Wirkstoffe haben Potenzial gegen Covid-19 | PZ  – Pharmazeutische Zeitung

34 von 35 Patienten sind wieder gesund zuhause

EXOCD24 – so heißt das Medikament, das Hoffnung für Corona-Patienten bedeutet. Es reguliert das durcheinander geratene Immunsystem Betroffener und setzt direkt in der Lunge an. In einem israelischen Krankenhaus wird es bereits getestet.

Die erste Phase der klinischen Studie ist abgeschlossen, jetzt kommen Vergleichstests und danach hoffen die Entwickler auf schnelle Zulassung und eine Massenproduktion im In- und Ausland. Bisher ist Phase 1 sehr erfolgreich: Von 35 Patienten, die mittelschwer bis schwer erkrankt waren und es genommen haben, sind 34 geheilt und innerhalb von vier Tagen wieder zuhause.

 

Grüne wollen Nachbesserungen bei Grundgesetzänderung

Im Streit um die geplante Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz haben die Grünen erneut Nachbesserungen von der Koalition gefordert.

Die Fraktionsvorsitzende Göring-Eckardt sagte im Deutschlandfunk, die bisherigen Pläne seien reine Symbolpolitik und würden die Rechte von Kindern teilweise sogar schwächen. Im Konzept der Großen Koalition zur Grundgesetzänderung fehle das Recht von Kindern und Jugendlichen, entsprechend ihres Reifegrads politisch beteiligt zu werden. Kinderrechte sollten zudem nicht nur angemessen, sondern vorrangig berücksichtigt werden. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Frei, betonte hingegen, man brauche keinen übergriffigen Staat, der am Ende zulasten der Elternrechte gehe.

Die Bundesregierung hatte vor einem Monat beschlossen, Kinderrechte in die Verfassung aufnehmen zu wollen. Für die erforderliche Grundgesetzänderung wird eine Zwei-Drittel-Mehrheit gebraucht. Die Große Koalition ist daher auf die Stimmen der Opposition angewiesen.

Protestbrief aus Polen wegen Düsseldorfer Motto-Wagen

Teaser-Bild

Der Wagen, der am Rosenmontag durch Düsseldorf fuhr, zeigt Polens Vize-Regierungschef Jaroslaw Kaczynski, wie er einer Frau mit einem Kruzifix einen Holzpflock ins Herz treibt. Die Frau ist als „Abtreibungsrecht“ bezeichnet.

Zu viel für polnische Diplomaten, die einen Protestbrief an die Organisatoren geschickt haben sollen.

„Wir verstehen und achten den Charakter des rheinischen Karnevals, aber er sollte keine religiösen Werte und Gefühle verletzen, die nicht nur für die Polen, sondern für Menschen auf der ganzen Welt eine herausragende Bedeutung haben“, heißt es demnach in dem Schreiben.

Fotos des Wagens sollen in vielen polnischen Zeitungen abgedruckt gewesen sein. „Das freut mich natürlich. Seit 2016 protestieren wir gegen den Demokratieabbau in Polen durch die Regierungspartei PiS mit inzwischen fünf Wagen“, so der Künstler.

Zum Vorwurf, sein Motiv könnte die Gefühle religiöser Menschen verletzen, sagte Tilly, dass der Wagen vielleicht die Gefühle von Kaczynski verletzt hätte. Er wiederholte zugleich seine Kritik an der faktischen Abschaffung von Frauen- und Abtreibungsrechten.

Tilly: „Selbst Ungeborene mit schwersten Fehlbildungen müssen ausgetragen werden, weil die Ideologie der katholischen Kirche meint, es wäre besser, sie auf die Welt zu bringen, zu taufen und dann zu begraben. Ich finde das menschenfeindlich.“

Es ist nicht das erste Mal, dass polnische Konservative und rheinische Karnevalisten aneinandergeraten. So hätte laut Tilly 2016 sogar der polnische Außenminister protestiert.

 

Montag, 22. Februar 2021

Russland: EU bringt neue Sanktionen auf den Weg - Beziehungen an „Tiefpunkt“ angekommen

Die EU wird weitere Sanktionen gegen Russland auf den Weg bringen. Man dürfe Verstöße gegen Menschenrechte nicht dulden, heißt es aus Brüssel. Die EU wird neue Sanktionen gegen Russland verhängen. Der Schritt wird durch die Verletzung der Menschenrechte in Bezug auf den Kremlkritiker Alexej Nawalny unternommen. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sei nicht bereit, „den Bruch internationalen Rechts zu akzeptieren“. Brüssel – Wegen des Vorgehens gegen den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny hat die EU weitere Sanktionen gegen Russland auf den Weg gebracht. Es gebe eine Grundsatzeinigung, neue Strafmaßnahmen zu verhängen, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP am Montag von Diplomaten in Brüssel. 

Demnach soll nun der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell eine Liste mit Betroffenen ausarbeiten, die für Nawalnys Inhaftierung und Verurteilung verantwortlich sind. Vor dem Treffen in Brüssel sprachen sich Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) und mehrere seiner EU-Kollegen am Montag dafür aus, Strafmaßnahmen vorzubereiten. Maas und sein luxemburgischer Kollege Jean Asselborn warben aber zugleich dafür, den Dialog mit Moskau nicht abreißen zu lassen. Alexej Nawalny: EU fordert Freilassung von Kremlkritiker Maas verwies darauf, dass die EU schon nach der Vergiftung Nawalnys im Sommer mit Sanktionen reagiert habe. Die Mitgliedstaaten hätten damit deutlich gemacht, dass sie nicht bereit seien, „den Bruch internationalen Rechts zu akzeptieren“. Nun gehe es darum, dass Nawalny nach seiner Rückkehr nach Russland zu einer Haftstrafe in einem Straflager verurteilt worden sei.

Diplomat:innen zufolge wollten die Außenminister einen politischen Grundsatzbeschluss zu neuen Sanktionen fassen. Die EU wolle dabei erstmals ihr neues Sanktionsregime zu Menschenrechtsverletzungen nutzen, sagte die schwedische Außenministerin Ann Linde in Brüssel. Betroffene würden dabei mit Einreiseverboten und dem Einfrieren ihrer Vermögen in der EU bestraft.

Mickie Krause baut dritte Schule in Afrika

Ballermann-Star Mickie Krause (50, „Schatzi schenk mir ein Foto“) flog am 19. Januar mit 35 deutschen Urlaubern nach Namibia, um dort mit Kollege Peter Wackel (44) auf einer Lodge vor 250 Zuschauern das Konzert „Stars unter Afrikas Sternen“ zu geben. 

Mickie Krause bei der Eröffnung seiner Schule in Ruanda 2019

Der Sänger will dort mit der Stiftung „Fly and Help“ seine mittlerweile dritte Schule finanzieren (Kosten: 45 000 Euro), die wieder seinen Namen tragen wird. Nach Ruanda und Kenia spendet Mickie Krause jetzt für Kinder des Stammes der Himba, einem Wüstenvolk.

Krause wurde mit einem Sportflugzeug hoch in den Norden Namibias geflogen, um dort die Himba persönlich kennenzulernen. Die gesamte Reise hatte unter besonderen Corona-Hygiene-Vorkehrungen stattgefunden.

Mickie Krause: „Ich verdiene derzeit zwar wegen Corona keine Kohle, aber für dieses Projekt gebe ich trotzdem gern Geld.“

2019 war Mickie Krause bei der Einweihung seiner Schule in Ruanda persönlich anwesend gewesen. Er sang gemeinsam mit den afrikanischen Kindern Lieder vom Ballermann.

 

Welthungerhilfe warnt vor neuer Heuschreckenplage in Afrika

Da eine neue Generation der Schädlinge brüte und schlüpfe, sei in Ländern wie Äthiopien, Somalia und Kenia die nächste Ernte bedroht, erklärte die Hilfsorganisation am Dienstag. Unter Berufung auf die UN-Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation (FAO) warnt die Welthungerhilfe, dass die nächste Generation von Heuschrecken die Existenzgrundlage von mehr als 39 Millionen Menschen in Äthiopien, Jemen, Somalia, Sudan und Kenia bedrohe.

Schädlinge drohen Millionen Menschen in «Abwärtsspirale» zu stürzen

In den vergangenen Monaten wurden demnach die Heuschrecken am Horn von Afrika auf 1,3 Millionen Hektar Land bereits bekämpft. Doch allein in Nord- und Zentralkenia seien bereits mehr als 15 Bezirke massiv von der zweiten Heuschreckenwelle betroffen, darunter auch viele neue Gebiete. Bereits vorher sei die Ernährungslage von rund 1,9 Millionen Menschen «prekär» gewesen, jetzt könne sie sich nochmals «dramatisch verschlechtern», warnte die Welthungerhilfe.

Durch die Heuschreckenplage verschärften sich überdies die Konflikte um Wasser und Land, erklärte der Landesdirektor der Welthungerhilfe in Kenia, Kelvin Shingles. Seine Organisation unterstütze die Betroffenen mit Bargeld, neuem Saatgut, landwirtschaftlicher Beratung und Trainings, um selbst durch den Einsatz umweltverträglicher Methoden die weitere Vermehrung der Heuschrecken besser zu kontrollieren.

Rare Disease Day: mehr als 300 Millionen Menschen sind direkt betroffen

Am letzten Tag im Februar eines jeden Jahres findet der internationale "Rare Disease Day" statt. Das Hauptziel dieses besonderen Tages ist es, die Öffentlichkeit für seltene Krankheiten und ihre Auswirkungen auf das Leben der Patienten zu sensibilisieren. Die Aufklärung über seltene Krankheiten ist wichtiger als von vielen angenommen: durchschnittlich haben fünf Prozent aller Menschen mindestens einmal in ihrem Leben mit einer seltenen Krankheiten zu kämpfen. Damit leben weltweit über 300 Millionen Menschen mit einer seltenen Krankheit [1]. Der digitale Versicherungsmanager CLARK gibt Tipps zur finanziellen Absicherung gegen seltene Krankheitsfälle.

Obwohl Deutschland auf eines der besten Gesundheitssysteme der Welt zurückgreifen kann, mangelt es an Aufklärung über seltene Krankheiten. Erleidet ein Deutscher einen Herzinfarkt oder Schlaganfall, bekommt er die bestmöglichste Versorgung - vom Rettungswagen bis zur Intensivstation. Wenn er allerdings über ein unklares Fieber oder einen unklaren Ganzkörperschmerz klagt, fehlt es oft an Ansprechpartnern.

Faktencheck: Was genau macht eine seltene Krankheit aus?

Laut dem European Journal of Human Genetics wird eine Krankheit als selten klassifiziert, sobald weniger als eine von 2000 Personen von ihr betroffen sind [1]. Weltweit sind 6000 verschiedene seltene Krankheiten anerkannt. 72 Prozent dieser seltenen Krankheiten sind genetisch bedingt, während andere auf Infektionen, Allergien und andere sonstige Umweltursachen zurückzuführen sind. Der Mangel an wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Krankheit führt häufig zu einer Verzögerung der Diagnose. Desweiteren erschweren falsche Diagnosen den Krankheitsverlauf seltener Krankheiten zusätzlich. Dies führt häufig zu hohen sozialen und finanziellen Belastungen für die Patienten.

Dienstag, 9. Februar 2021

Historische Verbesserungen für Steuerpflichtige mit Behinderung und pflegende Angehörige

Über zehn Millionen Menschen leben in Deutschland mit einer Behinderung. In Zukunft werden es tendenziell noch mehr werden, da das durchschnittliche Lebensalter ansteigt. Aufgrund ihrer Einschränkungen sind sie im Alltag und auch Berufsleben oft benachteiligt. Oft hängt die Benachteiligung auch mit den finanziellen Möglichkeiten zusammen, denn die besonderen Bedürfnisse sind mit erhöhten Ausgaben verbunden. Dabei gehören Behinderungen zur Vielfalt einer Gesellschaft und die Teilhabe sollte selbstverständlich sein. Eine bessere finanzielle Entlastung war überfällig, denn seit 1975 hat der Gesetzgeber die Behindertenpauschale im Steuerrecht nicht mehr erhöht. Jetzt wird sie zum 01.01.2021 verdoppelt. Dazu kommen weitere steuerliche Erleichterungen, eine reduzierte Nachweispflicht und eine Abschaffung spezieller Voraussetzungen. Und auch die pflegenden Angehörigen hat der Gesetzgeber bedacht.

Verdoppelung der Behindertenpauschalen und leichterer Einstieg

Die Steuerermäßigung soll den behinderungsbedingten Mehraufwand im alltäglichen Leben abdecken. Damit die täglichen Verrichtungen nicht einzeln zu erfassen sind, werden sie unbürokratisch mit einer Pauschale abgegolten. Die Höhe des Behindertenpauschbetrags ist vom Grad der Behinderung (GdB) abhängig.

Künftig kann ab einem Behinderungsgrad von 20 eine Pauschale in Höhe von 384 Euro beansprucht werden. Die bisherigen zusätzlichen Anspruchsvoraussetzungen für GdBs unter 50 entfallen. Es wird somit wesentlich leichter, einen Behindertenpauschbetrag geltend zu machen. Damit wurde die Steuergesetzgebung im Hinblick auf die Behinderungsgrade und die damit verbundenen Nachweispflichten vereinfacht.


Zudem wurden die Stufen des Pauschbetrages mit dem Sozialrecht harmonisiert. So ist der Pauschbetrag jetzt in 10er Schritte von einem GdB 20 bis 100 unterteilt, denen jeweils ein Pauschbetrag zugeordnet ist. Die alten Beträge, die erst ab einem GdB von 25 begannen, wurden in allen Abstufungen verdoppelt. Den höchsten Pauschbetrag gibt es bei einem GdB von 100. Künftig beträgt in der höchsten Stufe die finanzielle Unterstützung 2.840 Euro anstatt der bisherigen 1.420 Euro.

Menschen mit Behinderung, die dem Gesetz nach hilflos, blind oder taubblind sind, erhalten einen erhöhten Pauschbetrag. Diese Pauschale wurde von 3.700 auf 7.400 Euro angehoben. Sie steht auch Pflegebedürftigen mit dem Pflegegrad 4 oder 5 zu. Weiterhin besteht aber die Möglichkeit, zeitintensiv Einzelnachweise für Ausgaben zu sammeln. Übersteigen die tatsächlichen Kosten die Pauschalen, kann ein höherer Betrag, nämlich die tatsächlichen Kosten, geltend gemacht werden.

Weitere außergewöhnliche Belastungen sind absetzbar

Größere außergewöhnliche Aufwendungen, die behinderungsbedingt sind, können zusätzlich abgesetzt werden. Darunter fällt z.B. der Umbau einer Wohnung oder eines Fahrzeugs. Auch zusätzliche Medikamente oder medizinische Hilfsmittel, die nicht von der Kasse bezahlt werden, können noch extra als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden. Allerdings sind hier die Regeln für Menschen mit Behinderung dieselben wie für jeden Steuerpflichtigen. Die zumutbare Eigenbelastungsgrenze muss überschritten werden, damit der Fiskus diese Ausgaben finanziell berücksichtigt.

Neue Fahrtkostenpauschale eingeführt

Bisher mussten behinderungsbedingte Mehraufwendungen für Fahrten zu Arzt oder Therapeuten oft einzeln nachgewiesen werden. Das war mit einem Verwaltungsaufwand verbunden. Ab dem Veranlagungszeitraum 2021 wird es einfacher, denn es wird eine Fahrtkostenpauschale im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen eingeführt. Die Höhe der Pauschale entspricht dem bisher gültigen Maximalbetrag der Finanzbehörden von 900 Euro bei geh- und stehbehinderten Steuerpflichtigen mit einem GdB von mindestens 80 oder 70 und dem Merkzeichen G.

Für Menschen mit einer außergewöhnlichen Gehbehinderung, Blinde und hilflose Menschen beträgt die neue Pauschale 4.500 Euro. Der erhöhte Betrag berücksichtigt nicht nur die Mehraufwendungen für die unvermeidbaren Fahrten, sondern ebenfalls für Freizeit-, Erholungs- und Besuchsfahrten. Die Pauschalen werden allerdings erst nach Abzug der individuellen zumutbaren Belastung berücksichtigt. Darüber hinaus können keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten mehr abgesetzt werden.

Deutliche Verbesserungen beim Pflegepauschbetrag

Auch der Pflegepauschbetrag, den pflegende Angehörige erhalten, wird zum Jahreswechsel erhöht. Eine Anhebung von 924 Euro auf 1.800 Euro für die Pflegegrade 4 und 5 ist beschlossen. Er soll die vielen kleinen, nicht bezifferbaren Mehraufwendungen des Pflegenden abgelten. Weiterhin kommt eine neue Abstufung, die auch geringere Pflegegrade berücksichtigt. So wird neuerdings schon bei Pflegegrad 2 ein Pauschbetrag von 600 Euro und bei Pflegegrad 3 in der Höhe von 1.100 Euro pro Jahr für den Pfleger gewährt. Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Pflegepauschbetrags ist jedoch die unentgeltliche Pflege im häuslichen Umfeld.


Libanon: Hungern im Lockdown

In El Tanak riecht es nach Unrat, nach Elend, nach Armut. Die Behausung von Afat El Hag, Mutter von elf Kindern, besteht aus grob gemauerten Zementsteinen. Nasskalt zieht es durch die Wände. Das Dach: eine Plastikfolie. Wenn es regnet, sagt sie, steht alles im Wasser.

Die hygienischen Umstände in El Tanak, eine Katastrophe. Vielleicht 2.000 Menschen leben hier so wie Frau Afat. Ihre Heimat ist eines von vielen Armutsgebieten in der Hafenstadt Tripolis, der zweitgrößten Stadt des Libanon.

Dritter Lockdown trifft gesamte Bevölkerung im Libanon

Die Arbeitslosenquote liegt bei 50 Prozent, so offizielle Quellen. Wahrscheinlich ist sie deutlich höher, glaubt Frau Afat. Zwei Corona-bedingte Lockdowns im vergangenen Jahr hat Frau Afat überstanden. Gerade so, irgendwie. Wenn jemand Reserven hatte, sagt sie, dann sind diese längst aufgebraucht.

Zuerst haben nur die Armen gelitten. Nun aber trifft seit dem 7. Januar der dritte und härteste Lockdown alle Bewohner des Libanon. Wie lange dieser Zustand dauert, ist offen.

Corona macht Probleme im Land sichtbar

Es ist nicht die Pandemie allein, die Land und Leute wirtschaftlich an den Abgrund führt. Zuerst waren da Korruption, Vetternwirtschaft, Unvermögen und Machtmissbrauch politischer Eliten. Corona hat sichtbar gemacht, was zuvor lediglich verborgen war.

Der Libanon, einst als Schweiz des Nahen Osten gepriesen, ist Sinnbild beispiellosen wirtschaftlichen Absturzes. Die Landeswährung - früher an den US-Dollar gekoppelt - ist nahezu wertlos. Selbst einfache Lebensmittel sind inzwischen unerschwinglich teuer geworden.

UN: Hälfte der Menschen lebt in Armut

Laut den Vereinten Nationen vegetiert inzwischen die Hälfte aller Libanesen unterhalb der Armutsgrenze. Gefühlt sind es deutlich mehr. Früher, zu normalen Zeiten, wie Frau Afat sagt, lebten sie von der Hand in den Mund. Für Arme war das Überleben im Libanon schon immer beschwerlich.

Doch nun hätten Corona und der dritte Lockdown ihre Lebensumstände unerträglich gemacht.

Da sind die Miete, der Unterhalt für die Kinder. Der Lockdown hat uns von allen Einkünften abgeschnitten - keine Arbeit, nichts.
Afat El Hag, Libanesin

"Mein Mann ist nun zuhause, ohne Job. Wir warten, bis jemand vorbeikommt und Brot bringt, damit wenigstens die Kinder zu essen haben." Afat wartet an diesem Tag vergebens. Keine Hilfe - niemand kommt mit Brot. Sie fühlt sich vergessen von aller Welt.

"Es ist dieser Druck, dieser Armutsstress", erklärt sie, der verzweifeln lässt. Der krank macht, wenn das Leben nur noch aus Hoffnungslosigkeit bestehe. So wie Frau Afat geht es vielen anderen auch.

Tausende protestieren gewaltsam in Tripolis

Und es ist diese Frustration, die in den vergangenen Wochen Tausende meist junger Männer zu Protesten auf die Straße treibt. Die ihre Wut auslassen, an Sicherheitskräften. Die voll Zorn das Gebäude der Stadtverwaltung in Tripolis in Brand setzen, genauso wie Autos. Straßenschlachten toben in der Innenstadt - es sind Bilder wie aus einem Bürgerkrieg.

Nur mit der eiligen Verlegung zusätzlicher Einheiten der Armee, so ist zu hören, war die Lage in Tripolis wieder in den Griff zu bekommen. Niemand mag eine Prognose wagen, wie lange diese angespannte Ruhe nun anhält.

Kein Geld für Lebensmittel

Mohamed El Bay, Protestierender der ersten Stunde in Tripolis, erklärt die Dinge auf seine Weise:

Wir hatten eine Revolution, dann eine Hunger-Revolution und dann eine Wut-Revolution. Die Leute hier haben kein Geld, um sich zu ernähren.
Mohamed El Bay, Demonstrant

Es heißt, die Leute sollen wegen Corona zuhause bleiben. "Ich will das befolgen - aber macht mir das doch bitte auch möglich", sagt er. Wie könne man die Leute zuhause im Lockdown einsperren und sie dabei nicht mit Lebensmitteln versorgen, fragt Mohamed El Bay. "Erklär mir das? Das hier wird mich umbringen", schließt er.

Uli Gack ist Leiter des ZDF-Studios in Kairo. Dem Autor auf Twitter folgen: @UliGack

 

"Wichtiger Partner" von Frauenrechten genervt

Wie steht es um die Rechte von Frauen und Mädchen in einem Land, das die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer als "wichtigen Partner" im Rahmen der Nato bezeichnet? - So beschrieb die CDU-Politikerin diese Woche nach einem Treffen mit ihrem türkischen Amtskollegen Hulusi Akar die Beziehungen zwischen Berlin und Ankara. Der türkische Wehrminister gehört dem rechten Flügel der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP an, die sich von der Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt verabschieden will.

33 Frauen, die im August 2020 dagegen protestierten, sind derzeit in Ankara wegen eines "Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz" angeklagt. Laut einem Bericht der kurdischen Nachrichtenagentur ANF drohen den Beschuldigten, darunter die Rechtsanwältinnen Arzu Kurt und Sevinç Hocaoğulları sowie die Journalistin Eylem Akdağ, jeweils bis zu drei Jahre Haft. Die erste Hauptverhandlung soll am 7. Juni in Ankara stattfinden.


Bereits im Februar 2020 hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan angekündigt, die Istanbul-Konvention nochmal zu überprüfen, um "Männer nicht zu Sündenböcken zu machen". Das Übereinkommen war 2011 vom Europarat als völkerrechtlicher Vertrag ausgearbeitet worden 2014 in Kraft getreten. Die Türkei hatte es bereits 2012 ratifiziert - fünf Jahre vor der Bundesrepublik Deutschland - aber die vorgesehenen Rechtsnormen und Hilfsangebote nicht in die Praxis umgesetzt.

Erdogan will eigene Konvention

Im August 2020 erklärte Erdogan, die Türkei solle eine eigene Konvention zum "Schutz von Frauen und Familien" erstellen und betonte, die ideologische Linie der AKP beruhe auf einer kontinuierlichen "Unterstützung des Familienbegriffs". Deshalb könne seine Partei niemals den Versuch tolerieren, "das Grundkonstrukt der türkischen Gesellschaft, die Familie, zu schwächen".

Für die Frauenrechtlerinnen der Region war der Subtext unmissverständlich: Trennungswillige Ehefrauen sind aus AKP-Sicht Familienzerstörerinnen, daher kann die Regierungspartei keine Konvention unterstützen, die sie wirksam vor Gewalt als Folge des patriarchalen Besitzdenkens schützt.

Bereits während der "Corona-Amnestie" im Frühjahr war aufgefallen, dass wegen häuslicher Gewalt verurteilte Männer frei kamen, politische Gefangene aber nicht. Im April hatte einer der vorzeitig entlassenen Straftäter aus Gaziantep nach wenigen Tagen in Freiheit seine neunjährige Tochter umgebracht. Verurteilt worden war er zuvor wegen eines Mordversuchs an der Mutter des Mädchens.

Die Plattform "Wir werden Frauenmorde stoppen" zählte im Jahr 2020 mindestens 300 Femizide in der Türkei - im Januar 2021 sind nach Angaben der Organisation mindestens 23 Frauen im Zusammenhang mit männlichem Anspruchs- oder Besitzdenken, der "Familienehre" oder sexueller Gewalt getötet worden.

Die türkisch-kurdische Frauenbewegung befürchtet eine weitere Verschlimmerung der Lage, wenn das Land sich nicht einmal mehr auf dem Papier zu den Zielen der Istanbul-Konvention bekennt.

Die nun wegen versammlungsrechtlicher Verstöße angeklagten 33 Aktivistinnen hatten an einer Protestaktion der Frauenplattform Ankara gegen die Annullierung der Istanbul-Konvention teilgenommen und eine Menschenkette gebildet, die von der Polizei aufgehalten wurde, als sie sich in Bewegung setzen wollte. Daraufhin waren die Polizisten laut ANF-Bericht mit lila Farbbeuteln beworfen worden, hatten auf die Aktivistinnen eingeschlagen, 24 von ihnen festgenommen und mit Handschellen abgeführt. Weitere mutmaßlich Beteiligte wurden offenbar später identifiziert.

Versammlungsfreiheit, Demokratie und Menschenrechte sind bei Treffen deutscher Kabinettsmitglieder mit türkischen Amtskollegen zwar immer wieder Thema, aber keines, das die Waffenbrüderschaft beeinträchtigt. Während die Polizei in der Westtürkei mit Schlagstöcken gegen Protestierende vorgeht, hat die Armee im überwiegend von Kurdinnen und Kurden bewohnten Südosten des Landes auch immer wieder deutsche Waffen zur Aufstandsbekämpfung eingesetzt.

 

Bangladesch siedelt weitere Flüchtlinge auf unbewohnte Insel um

In Bangladesch sind weitere 1.778 Rohingya-Flüchtlinge nach Bhasan Char, einer Insel im Golf von Bengalen, gebracht geworden. Das ist laut Marine-Kommandeur Mozammel Haque bereits die dritte Gruppe, die übergesetzt wurde. Eine vierte Gruppe solle am Freitag dorthin gebracht werden. Nach Angaben eines zuständigen Behördenmitarbeiters befinden sich bereits mehr als 5.000 Rohingya-Flüchtlinge auf der Insel.

Insgesamt will die Regierung 100.000 Angehörige der muslimischen Minderheit aus überfüllten Flüchtlingslagern auf dem Festland auf die Insel schicken. Kritik gibt es von mehreren Hilfsorganisationen: Die Insel sei während der Monsunsaison heftigen Stürmen und Überflutungen ausgesetzt. Außerdem seien Menschen nicht ausreichend über die Lage auf der Insel Bhasan Char informiert, die 34 Kilometer vom Festland entfernt liegt, kritisierten auch die Vereinten Nationen. Sie könnten nicht frei entscheiden. 

Die Regierung versichert, die Rohingya, die auf die Insel umsiedeln, täten dies freiwillig. Die Menschen würden medizinisch untersucht, erhielten Nahrung und angemessene Unterkunft und hätten auf der Insel die Möglichkeit, sich ihren Lebensunterhalt durch Viehzucht oder Handwerk selbst zu verdienen, sagte Haque. Letztlich sollten sie aber nach Myanmar zurückkehren.

In Bangladesch leben Hunderttausende Rohingya in Camps. Die meisten sind 2017 vor Militärgewalt in dem Nachbarland Myanmar geflohen. Die Vereinten Nationen bezeichnen die Verfolgung der muslimischen Minderheit dort als anhaltenden Völkermord. Viele Rohingya verloren durch ein 1983 erlassenes Gesetz die Staatsbürgerschaft. Das Militär von Myanmar und die Regierung unter der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi stehen wegen der Verfolgung international in der Kritik. Etliche Rohingya wollen in ihre Heimat zurückkehren. Aber die Verhandlungen der Vereinten Nationen mit Myanmar verlaufen schleppend.

 

Montag, 8. Februar 2021

Politik und NGOs fordern Ende der weiblichen Genitalverstümmelung

Zum internationalen Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung am 06.02.2021 hat Bundesentwicklungsminister Müller ein härteres Vorgehen gegen diese Praxis gefordert.

Es handle sich um eine schwere Menschenrechtsverletzung, die gestoppt werden müsse, sagte Müller dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Genitalverstümmelung habe lebenslange schwerwiegende körperliche und psychische Folgen für die betroffenen Mädchen und Frauen. Die Terre des Femmes-Vorsitzende Kosack wies im Deutschlandfunk darauf hin, dass weltweit viele Fälle nicht erfasst würden und es eine hohe Dunkelziffer gebe. Mit Blick auf Deutschland warnte Kosack vor den Folgen des Lockdowns für betroffene oder gefährdete Mädchen. Durch den Verzicht auf Arztbesuche und die Schließung von Schulen und Sportvereinen fehle der Kontakt zu Ärztinnen, Lehrerinnen und Trainerinnen, die zugleich Vertrauenspersonen seien. 


Bundesfamilienministerin Giffey hatte gestern einen sogenannten Schutzbrief vorgestellt. Das Flugblatt im Passformat solle darauf aufmerksam machen, dass Genitalverstümmelung in Deutschland ein Straftatbestand sei – auch, wenn die Tat im Ausland verübt werde, so die SPD-Politikerin. In Deutschland leben nach Angaben Giffeys rund 68.000 betroffene Frauen. Zudem seien rund 15.000 Mädchen in Gefahr, Genitalverstümmelung zu erleiden.


Ein Drittel der Kinder weltweit hat keinen Zugang mehr zu Bildung.

Die Corona-Pandemie verschärft die Kinderarmut. Ein Drittel der Kinder weltweit hat durch die Pandemie keinen Zugang mehr zu Bildung - mit fatalen Folgen, warnt die Caritas anlässlich des Welttages der Bildung am Sonntag. „Auch wenn Kinder nicht zur Hochrisikogruppe von Corona gezählt werden, sie werden langfristig die Folgen von Schulschließungen, Mangelernährung und Armut zu tragen haben“, so Caritas-Präsident Michael Landau.

Laut Unicef könnten durch die Pandemie weltweit rund 150 Millionen Kinder zusätzlich verarmen. „Sie werden wahrscheinlich nicht mehr in die Schulen zurückkehren“, so Landau. „Ohne die Grundlage guter Bildung ist die Chance aus dem Teufelskreis der Armut zu entkommen, deutlich geringer.“

 
Laut Caritas kam es im vergangenen Jahr in 188 Ländern der Welt zu Schulschließungen im Zuge der Corona-Bekämpfung, 1,6 Milliarden Kinder und Jugendliche waren davon betroffen. Für viele arme Kinder verschärfe sich dadurch auch die Mangel- und Unterernährung, weil für viele Kinder die Schulspeisung die einzige warme Mahlzeit am Tag sei. Hinzu kämen durch die verschärften finanziellen Schwierigkeiten in vielen Familien Spannungen und Gewalt innerhalb der Familie. Viele minderjährige Mädchen würden zwangsverheiratet, um die finanzielle Situation der Familie zu entlasten. Kinder müssten außerdem arbeiten gehen, um einen Verdienstausfall der Eltern wettzumachen oder für die Geschwister zu sorgen.

Kinderarmut und Shutdown - "Kinder entwickeln sich zum Teil zurück"

 ZDF Interview mit Carsten Freels, Leiter des Kinderhauses Malstatt (Saarbrücken)

ZDFheute: Wie erleben Sie die Situation aktuell für die Kinder und Familien, die Sie im Kinderhaus Malstatt betreuen?

Carsten Freels: Die aktuelle Situation im Shutdown ist für die meisten Familien hier belastend. Es ist eine komplett neue Situation, mit der viele dieser Eltern, aber auch viele der Kinder überfordert sind.

ZDFheute: Worunter leiden die Kinder besonders?

Freels: Was sie immer sagen ist: Ihnen fehlt die Schule. Schule ist viel mehr als nur ein Ort der Wissensvermittlung. Es ist ein Ort, wo Freundschaften gepflegt werden und wo Konflikte ausgetragen werden. Und all das fehlt im unmittelbaren Umgang miteinander.

ZDFheute: Haben Sie das Gefühl, die politisch Handelnden haben die Probleme sozial schwacher Familien im Blick?

Freels: Das glaube ich nicht. Zumindest hat das während des ersten Shutdowns auf mangelhafte Art und Weise stattgefunden. Was tatsächlich gefehlt hat und auch jetzt fehlt: Es ist zu sehen, dass viele Familien sehr wenig Geld monatlich zur Verfügung haben, um eben auch diese veränderte Bildungssituation bewältigen zu können. Das kostet alles mehr Geld. Und das hatten die politisch Verantwortlichen nicht im Blick.

ZDFheute: Bundesarbeitsminister Heil sagt: "Der Sozialstaat ist da, wenn man ihn braucht." Erleben Sie das auch so?

Freels: Wir erleben, dass jetzt eine Hilfe anläuft, die tatsächlich auch ankommt. Aber nicht in der Geschwindigkeit, die notwendig wäre. Was wir jetzt schon wissen, ist, dass Kinder bis zu einem halben Jahr einfach keine adäquate Bildungshilfe hatten und die Lerninhalte, die da verpasst wurden, auch bislang noch nicht aufgeholt wurden. Das kann Schule nicht leisten. Und das ist hochproblematisch, weil eben auch neuer Lernstoff dazukommt - und weil die Kinder sich zum Teil tatsächlich auch zurückentwickelt haben.

ZDFheute: Wie denken Sie über die aktuelle Debatte um Coronazuschläge?

Freels: Das haben wir vor Corona schon erlebt, dass im Grunde genommen die Lebenshaltungskosten gestiegen sind. Aber die Sätze für Hartz IV eben nicht. Und es ist häufig so, dass Eltern zu uns kommen, die am Ende des Monats wirklich drastische Probleme haben, ihre Kinder über das Monatsende zu kriegen. Und wenn jetzt zusätzliche finanzielle Aufwendungen notwendig sind, stellt das die Familien vor schier unlösbare Probleme. Insofern ist so ein Zuschlag dringend notwendig.

ZDFheute: Welche Mehrkosten haben die Menschen, die sie betreuen, durch den Shutdown?

Freels: Ich denke, dass durch den Shutdown die Mehrbelastung für diese Familien bei mindestens 200 bis 300 Euro monatlich liegt. Das ist für diese Menschen sehr viel und in vielen Fällen nicht stemmbar.

ZDFheute: Was heißt es für die Familien, mehr zu Hause zu sein, teils auf sehr beengtem Raum?

Freels: Durch die Enge steigt das Stresslevel für die Eltern, das überträgt sich auf die Kinder. Die Eltern sind oft überfordert mit Homeschooling. Die Schulen geben sich im zweiten Shutdown viel Mühe, dass eben eine adäquate Beschulung irgendwie stattfinden kann. Aber viele Eltern wissen nicht, wie sie das bewältigen sollen. 

ZDFheute: Woran machen sie die Not der Familien fest?

Freels: Die Not besteht darin, dass sich die Familien oft allein gelassen fühlen mit dieser Situation. Es wird für diese Familien deutlicher spürbar, dass sie quasi abgehängt sind. Sie merken, dass sie nicht auf dem Schirm von politischen Maßnahmen sind, die dringend notwendig wären, um eben keine Benachteiligung insbesondere für die Kinder entstehen zu lassen. Es wurde einfach angenommen, dass in allen Familien digitale Infrastruktur besteht, was eben nicht der Fall ist. Und dadurch entsteht strukturelle Benachteiligung, die am Ende für die Familien katastrophal ist.

ZDFheute: Sind die Kinder psychisch anders belastet als vorher?

Freels: Die psychische Belastung ist größer. Diese Kinder haben in den Familien weniger strukturelle Vorgaben, die ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Sie brauchen Gewohnheiten, die sie leben können. Und die ganz wichtige Struktur, die der Schulalltag gibt, ist weggefallen. Das schafft in den allermeisten Familien eine Stresssituation, die zu einer erhöhten psychischen Belastung führt.

Das Interview führte Verena Garrett. Sie arbeitet als Reporterin im ZDF-Landesstudio Saarbrücken.

 

 

 

Online-Bürgerdialog zur Bioökonomie startet

Der Begriff der Bioökonomie wird in der politischen Diskussion immer präsenter. Doch die dahinterstehenden Ideen und Konzepte zur Nutzung biologischer statt fossiler und chemischer Rohstoffe sind in der Öffentlichkeit kaum bekannt. Um das zu ändern, starten das Bundesumweltministerium und das Bundesamt für Naturschutz (BfN) einen Online-Bürgerdialog. Bis zum 28. Februar 2021 ist die Öffentlichkeit eingeladen, sich online (siehe Link) zum Thema Bioökonomie zu informieren, mitzudiskutieren und ihren Standpunkt einzubringen. Die Ergebnisse des Bürgerdialogs werden anschließend durch das BfN veröffentlicht und dem Bioökonomierat der Bundesregierung übergeben.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze: "Mit der Nationalen Bioökonomiestrategie hat die Bundesregierung festgelegt, dass der Ausbau der Bioökonomie innerhalb der planetaren Grenzen erfolgen muss. Deshalb müssen wir darüber sprechen, wie wir konsumieren und wofür wir unsere knappen natürlichen Ressourcen einsetzen wollen. Mit dem Online-Dialog tragen wir die Diskussion um eine lebenswerte Zukunft in weite Kreise der Gesellschaft. Er bietet die Möglichkeit darüber zu diskutieren, was wir unter Bioökonomie verstehen und wie wir zukünftig unser Verhältnis zur Natur durch unsere Wirtschafts- und Lebensweise gestalten wollen." 


Prof. Dr. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz: "Wir sind schon jetzt von bioökonomischen Produkten umgeben wie unseren Möbeln aus Holz oder dem Biosprit an der Tankstelle. In immer mehr Bereichen sollen mithilfe der Bioökonomie fossile und chemische Rohstoffe durch nachwachsende ersetzt werden. Dies muss aber mit Augenmaß geschehen, denn die Fläche, auf der wir Lebens- und Futtermittel, Energie und Holz produzieren, ist begrenzt. Die Bioökonomie kann Konflikte weiter verschärfen, wenn sie nicht klug geplant und gesteuert wird. Die Möglichkeiten und Grenzen der Bioökonomie müssen im Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern ausgehandelt werden – deshalb rufen wir jede und jeden auf, sich jetzt aktiv einzubringen."

2020 starteten BfN und BMU den Bürgerdialog Bioökonomie mit dem Ziel, die Konzepte der Bioökonomie bekannter zu machen und mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern über Chancen und Risiken der Bioökonomie ins Gespräch zu kommen. Knapp 80 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger aus drei Regionen Deutschlands und junge Menschen aus der ganzen Bundesrepublik setzten sich im September und Oktober 2020 in Workshops und Online-Veranstaltungen intensiv mit dem Thema Bioökonomie auseinander. Ziel war es, die Grundlagen der Bioökonomie kennenzulernen, über Umsetzungswege zu diskutieren und wichtige Gesprächs- und Klärungsbedarfe aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürgern zu benennen.

Die Ergebnisse aller Dialoge in Form von Thesen, Forderungen oder Vorschlägen wurden von Bürger-Redakteurinnen und -redakteuren gebündelt und bilden die Grundlage des nun stattfindenden Online-Dialogs. Die Thesen zur Bioökonomie sind online (siehe Link) einsehbar und können bis zum 28. Februar 2021 kommentiert werden. 

Link: www.biooekonomie-im-dialog.de

Olympia in Tokio : Wissenschaftler warnen vor Corona-Mutationen

Wissenschaftler weltweit haben bei allem Verständnis für den Willen zur Austragung der Olympischen Sommerspiele in Tokio vor den Corona-Gefahren gewarnt. "Ich kann die Gefühle der Athleten verstehen", sagte Michael Head, ein Spezialist für globale Gesundheit an der Universität von Southampton, "aber aus Sicht der öffentlichen Gesundheit machen Olympische Spiele nach aktuellem Stand überhaupt keinen Sinn."

Selbst wenn alle Beteiligten geimpft seien, gebe es “bestimmte Varianten, die gegen eine solche Impfung resistent sind”, erklärte Head, der eindringlich vor einer besonderen Gefahr warnte: “Menschen aus so vielen verschiedenen Ländern zu mischen, würde die Entstehung neuer Mutationen des Virus unweigerlich beschleunigen.”

In Tokio sollen rund 11.000 Teilnehmer aus 200 Ländern antreten, dazu kommen Betreuer, Offizielle sowie etwa 12.000 Pressevertreter. Derzeit grassieren bereits neben dem ursprünglichen Coronavirus hochgradig ansteckende Mutationen aus Großbritannien (B117), Südafrika (B1351) und Brasilien (P1).

Head empfiehlt daher zumindest eine deutliche Reduzierung der an den Spielen beteiligten Personen. “Das würde das Risiko zwar nicht ausschalten, aber zumindest minimieren”, sagte der Wissenschaftler.

Beim Japaner Atsuo Hamada, Spezialist für Infektionskrankheiten, schlagen zwei Herzen in der Brust. Einerseits begrüßt er Olympische Spiele in Japan, anderseits räumt er aber auch ein, dass er gegen eine Ausrichtung wäre, würden sie woanders stattfinden.

“Auch ohne die Pandemie sind die Spiele eine Massenansammlung und fördern alle Arten von Infektion”, sagte Hamada. “Undenkbar” sei es daher, “Zuschauer aus aller Welt einreisen zu lassen”. Jeder einzelne Zuschauer bringe “signifikante Risiken” mit sich, so Hamada.