Mittwoch, 30. Juni 2021

Aufnahmen von Tierschützern offenbaren desaströse Bedingungen in Schweinemast-Betrieb

Auf den Fluren zwischen den Mastbuchten filmten die Tierschützer seit Februar vergangenen Jahres immer wieder tote Tiere, sterbende und schwer verletzte Schweine, Tiere mit offenen Wunden, die bis auf den Knochen reichten. In den Buchten lagen tote Tiere, die von ihren Artgenossen aufgefressen wurden.
Einer der Tierschützer, der die Aufnahmen gedreht hat, ist Friedrich Mülln von der Tierrechtsgruppe Soko Tierschutz. Für ihn ist dies trauriger Alltag in Deutschlands Schweineställen. "Das ist für mich nicht mehr die Ausnahme. Das ist eine grauenhafte Regel, dass Schweine unter entsetzlichen Bedingungen in den Betrieben zugrunde gehen."
Die Bilder wurden dem SWR zugespielt. Die baden-württembergische Tierschutzbeauftragte wurde vom SWR um eine Begutachtung der Aufnahmen gebeten. Ihr Fazit: Der Betrieb müsse angezeigt werden. Ein Tierhaltungs- und Betreuungsverbot sollte erfolgen.
Zu wenig Kontrolle oder Fehler im System?
Veterinäramtsdirektor Kai Braunmiller ist der oberste Schlachthofveterinär in Deutschland und zugleich Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Fleischhygiene. Auf die Probleme in den Schweinemastbestrieben angesprochen, reagiert er mit einem Hinweis auf eine Studie der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität über die Haltung auf Betonspaltenboden. Sie sei "überhaupt nicht artgerecht", so seine Einschätzung: "92 Prozent dieser Tiere bekommen Liegeschäden, 40 Prozent leicht, rund 50 Prozent mittel und schwer."
Braunmiller: 92 Prozent der Tiere bekommen Liegeschäden
Über die Filmaufnahmen sagt Braunmiller: "Mittlere und schwere Zustände, wie man sie hier auch gesehen hat, sind eigentlich Straftatbestände, die so überhaupt nicht zu tolerieren sind. Hier wäre dringend auch Umstellung nötig, also eine Nachrüstung der bestehenden Anlagen und endlich eine Konzeption für eine gute, tiergerechte Haltung in der Zukunft."
Betriebe werden alle 16 Jahre kontrolliert
In Deutschland werden pro Jahr rund 50 Millionen Schweine gemästet, davon das Gros in konventioneller Haltung, also auf Betonspaltenböden. Rechnet man diese Daten der Studie hoch, würde das bedeuten, dass mehr als 90 Prozent oder 40 Millionen Tiere rechtswidrig gehalten werden, weil sie infolge der Haltung Schäden davontragen. Hinzu kommt, dass im Durchschnitt solche Betriebe nur alle 16 Jahre kontrolliert werden.
Hauk: Vergehen können nie ganz ausgeschlossen werden
Im SWR-Interview verweist der baden-württembergische Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) darauf, dass die Veterinärbehörde im Fall der Region Ulm sehr schnell gehandelt habe. Bereits nach dem Eintreffen der ersten Informationen seien die Amtsveterinäre in dem Stall gewesen. "Es ist natürlich so: Bei über 10.000 Tierhaltern im Land wird man nie ganz ausschließen können, dass Vergehen passieren", so Hauk. "Wo Menschen handeln, gibt es immer auch Vergehen und Verstöße."
Zuständig für den aktuellen Fall ist die Veterinärbehörde im Landratsamt des Alb-Donau-Kreises in Ulm. Auf Nachfrage erklärt die Behörde, Beamte hätten den Betrieb nach Eingehen einer Anzeige besucht. Es hätten dann auch Tiere notgetötet werden müssen. Schriftlich heißt es:
"Ein sofortiges Tierhaltungsverbot wurde geprüft, war aber rechtlich nicht gedeckt. (…) Mündlich wurde angeordnet, die angetroffenen Missstände unverzüglich zu beheben."
Landratsamt Alb-Donau-Kreis am 27.5.2021
Betroffener Landwirt will seine Schweinemast stilllegen
Der betroffene Landwirt lehnte ein Fernsehinterview zu den bei ihm festgestellten Tierrechtsverstößen ab. Abseits der Kamera erklärt er, er sei zu dem Zeitpunkt, als die Aufnahmen entstanden, krank gewesen, habe sich um seinen Betrieb nicht richtig kümmern können. Die Bilder seien eine unglückliche Momentaufnahme. Der Veterinärbehörde hat er inzwischen mitgeteilt, seine Schweinemast stilllegen zu wollen.

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